Gehört der Kauf eines Schokoriegels oder einer Flasche Mineralwasser an bayerischen Tankstellen bald der Vergangenheit an?

[01.08.2011] München. Das Tankstellengewerbe Bayern widerspricht Kommunen im Freistaat, die aktuell versuchen, den Verkauf von Reiseproviant wie Schokoriegel oder Mineralwasser außerhalb der Ladenöffnungszeiten an Nichtautofahrer zu verbieten. Günter Friedl, Vorsitzender des Tankstellengewerbes Bayern: „Die Auswirkungen dieser Regelung wären für den Tankstellenbetreiber dramatisch, sollten wir den Shop-Verkauf ab 20:00 Uhr tatsächlich einstellen müssen. Zur Klarstellung - es geht nicht um Alkohol, sondern um sämtliche Shop-Artikel!“

In einigen Gemeinden Bayerns wird der Verkauf außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten an Nicht-Autofahrer untersagt. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches über einen Fall in Rheinland-Pfalz entschieden hat.

Friedl: „Die Reaktionen der Kundschaft in den Tankstellen zeigt, dass dieses Vorgehen von der Bevölkerung in der überwiegenden Mehrheit mit Befremden und Unverständnis aufgenommen wird. Ebenso bereitet die Umsetzung dieser Regelung große Probleme: Dem Tankstellenbetreiber wird hiernach die Pflicht auferlegt, bei jedem Verkauf von Reisebedarf explizit zu prüfen, ob der Kunde auch tatsächlich Reisender ist, also Kfz-Fahrer oder Mitfahrer. Fußgänger oder Radfahrer dürfen ausdrücklich keine Waren mehr kaufen!“ 

Eine solche Regelung ist in der Praxis kaum durchführbar. So sind vom Kassenraum in der Regel die Zufahrtsbereiche nur schwer zu übersehen, so dass eine Überprüfung, wer mit dem Fahrzeug oder zu Fuß da ist, kaum möglich ist. Dies gilt umso mehr, da durch den ständigen Kostendruck meist nur begrenzt Personal zur Verfügung steht, vor allem in den Nachtzeiten. Selbst ein einfaches Nachfragen beim Kunden kann zu keiner ordentlichen und korrekten Überprüfung führen, so dass die Kontrollpflicht des Tankstellenbetreibers zum Scheitern verurteilt ist.

Im Übrigen halten wir, so Friedl, die Auslegung des in Bayern weiterhin geltenden Bundes-Ladenschlussgesetzes in Anlehnung an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für rechtlich bedenklich.

Die Regelungen des Ladenschlussgesetzes in Bayern sind nicht identisch mit dem Ladenöffnungsgesetz des Landes  Rheinland-Pfalz. So ist im rheinland-pfälzischen Ladenöffnungsgesetz niemals die Rede von Reisenden, so dass das Bundesverwaltungsgericht sich bei der Definition des Reisenden stets auf die Auslegung des Begriffs Reisebedarf stützen musste und durchaus nachvollziehbar hieraus den Begriff des Reisenden als Pkw-Fahrer und Mitfahrer interpretierte.

Während in Rheinland-Pfalz der Begriff des Reisenden auf der Grundlage des Reisebedarfs interpretiert werden musste, machte sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des Bundes-Ladenschlussgesetzes die Mühe, zwischen den einzelnen Empfängerkreisen zu unterscheiden. Der Begriff Reisebedarf dient hier lediglich der Definition eines begrenzten Warensortiments, nicht jedoch der Zuordnung eines Empfängerkreises.

Beim Bundes-Ladenschlussgesetz in Bayern wird bei den Ausnahmeregelungen für Tankstellen, Bahnhöfe und Flughäfen ausdrücklich zwischen Reisenden, Berufspendlern und anderen Personen differenziert. Im Rückschluss ergibt sich hieraus, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Regelung des  Verkaufs von Reisebedarf explizit zwischen den einzelnen Käufergruppen differenzieren wollte. § 6 LadSchlG gestattet hiernach während der Ladenschlusszeiten den Verkauf von Reisebedarf an Tankstellen ohne Einschränkung des Kundenkreises, wohingegen in § 8 und § 9 LadSchlG zwischen Verkauf von Reisebedarf in Bahnhöfen an Reisende bzw. Berufspendler und andere Reisende und an Flughäfen an Reisende und bei  internationalen Flughäfen zwischen Reisenden und auch anderen Personen als Reisenden unterschieden wird.

Friedl: „Da sich der Gesetzgeber bei Tankstellen im Gegensatz zu  Bahnhöfen und Flughäfen auf den Reisebedarf begrenzt, also  keine Einschränkung hinsichtlich des Kundenkreises vornimmt, kann davon ausgegangen werden, dass bereits der Gesetzgeber erkannt hat, dass Tankstellen nicht kontrollieren können, wer Reisender ist und wer nicht. Daher sehen wir die Anweisung der Kommunen als falsch an und werden uns dagegen wehren!“

Ob eine Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das in Bayern geltende Bundes-Ladenschlussgesetz einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird, steht somit in Frage. Vielmehr scheint es, dass das für Rheinland-Pfalz ergangene Urteil aufgrund der unterschiedlichen Gesetzestexte auf Bayern nicht übertragbar und deshalb rechtlich bedenklich ist. Das Tankstellengewerbe Bayern lässt dies aktuell durch eine Anwaltskanzlei prüfen.

Letzte Änderung: 01.08.2011Webcode: 0045095