Pistengaudi mit dem Oldtimer

[04.10.2016] Die Dolomiten während der Legends Winter Classic erklimmen, sich zur WinterRAID durchs tief verschneite Arosa-Tal cruisen oder am Start der 25. AVD-Histo-Monte stehen – Oldtimer-Rallyes feiern in der kalten Jahreszeit Konjunktur.

Selbst kleine Klubs organisieren die Spritztour auf Schnee und Eis. Doch wie geht das mit den betagten Fahrzeugen ohne ABS und ESP? Leidet das alte Blech nicht unter Streusalz und Nässe? Die eisige  Angelegenheit erhitzt die Gemüter. 

Matthias Kemmer, Oldtimer-Experte des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, holt seine Klassiker im Winter sehr wohl aus dem Stall.

„Oldtimer sind zum Fahren gebaut und Standschäden durch Übervorsorge schlimmer und teurer als solche durch Korrosion und Bewegung.“ Seine Tipps für die Fahrfreude im Winter. 

Was macht das Fahren im Winter so besonders?                 

Wer einmal an einem trockenen Januartag und bei strahlendem Sonnenschein mit dem Oldtimer durch den verschneiten Schwarzwald gekurvt ist, kennt den Zauber des echten, puren Fahrens ohne ABS und ESP.

Er wird die Landschaft ganz anders wahrnehmen. Viele Klassiker wurden ja auch speziell für den Wintereinsatz gebaut. Es müssen nur die richtigen sein. 

Was sind denn „richtige“ und „falsche“ Klassiker?

Ein VW Käfer macht beispielsweise vielen modernen Fahrzeugen im Schneefahren was vor: schmale Reifen, Schneeketten, Heckmotor – also eine gute Traktion, extrem wartungsfreundlich.

Für die gab es früher sogar Spikes. Auch die robusten Toyota Landcruiser, Unimog oder Landrover will man ja nicht nur in der Kiesgrube erleben. Sie gehören auf den Pass und vor die Skihütte. 

Es gibt aber Klassiker, die lieber in der Garage überwintern sollten: tiefergelegte Sportwagen wie Ferrari oder Lamborghini und solche, für die es wie beim Morgan fast keine Winterreifen gibt. Auch seltene Vorkriegsware und hochpreisige Sammlerautos bleiben besser im Trockenen.

Die eventuellen Schäden bei einer Winternutzung wären im Vergleich zum Wert überproportional hoch. Hier ist der Umgang mit dem Klassiker generell ein anderer.  

Sind Streusalz, Frost und Feuchtigkeit nicht Gift für die Klassiker?

Wenn alte und neue Fahrzeuge vernünftig konserviert werden, dann schaden Winterbedingungen beiden gleich. Außerdem wird heute wesentlich weniger Salz gestreut als noch vor ein paar Jahren.

Wenn allerdings Streusalz auf nasser oder mit Staub auf trockener Fahrbahn auf den Lack wirbelt, leiden die Klassiker schon. 

Problematisch ist Split, der mechanische Schäden am Lack, Unterboden und in den Radkästen verursachen kann. Aber im Vergleich zu früher, als die Autos bis zum Wegrosten fuhren, schickt man sie heute regelmäßig zur Unterbodenwäsche.  

Wie sieht die Vorbereitung auf den Winterbetrieb aus?

Nachdem alles gereinigt und getrocknet ist, werden Lack-, Chrom- und Unterbodenschäden ausgebessert und versiegelt. Es folgt der Wintercheck wie bei modernen Fahrzeugen auch: Frostschutz, Batterietest, Wechsel auf Winterreifen.

Frostschutz ist bei wassergekühlten Autos extrem wichtig. Die Oldies brauchen zudem winterfestes Mehrbereichsöl. 

Gummis von Türen, Scheibenwischern und Hauben vertragen Talkum oder Silikonspray, damit sie nicht ankleben und geschmeidig bleiben. Chrom erhält eine Wachs- oder Fettschicht, mechanische Bauteile wie Türscharniere oder Haubenentriegelungen Öl oder Fett. 

Müssen denn auch Oldies mit Winterreifen rollen?

Da macht die Straßenverkehrs-Ordnung keine Ausnahme. Überhaupt: Auch Klassiker müssen zur Hauptuntersuchung. Das garantiert die Verkehrssicherheit wie bei allen anderen Autos auch. 

Kein ABS, kein ESP, keine ASR. Wie steuert man die Klassiker sicher auf Eis und Schnee?

Die älteren Fahrer erinnern sich: Bei Gefahr auf Eis bremsen heißt stottern: kurz und kräftig aufs Bremspedal treten, lösen und das ganze Spiel wiederholen. So bleibt das Fahrzeug lenkfähig. Auch in der Kurve können uns keine elektronischen Helfer einfangen.

Es geht vorsichtig, mit gemäßigtem Tempo und ohne Über- oder Untersteuern in die Biege. Die beste Fahrschule bietet der „Der 7. Sinn“ aus den 70er Jahren auf Youtube.  

In jedem Fall müssen sich die Fahrer aber der erhöhten Unfallgefahr durch das Fehlen der passiven und aktiven Sicherheit bewusst sein und ihren Fahrstil anpassen. 

Was hilft im Pannenfall?

Das Übliche: Starthilfekabel, Schaufel, Abschleppseil, Taschenlampe, Decke und natürlich die Warnwesten. Hilfreich sind Türschlossenteiser, Enteiserspray, Ersatzbirnen und Sicherungen.

Letzte Änderung: 04.10.2016Webcode: 0108916